Erst letzte Woche unterhielten Stefan und ich uns darüber, wie sehr unser tägliches Denken und Handeln vom Plastizieren im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs durchdrungen ist und wie stark wir uns selbst als gestaltende Menschen verstehen.
Wir sind immer wieder beeindruckt wie ganzheitlich Beuys gedacht und gewirkt hat. Er war schlichtweg seiner Zeit weit voraus und sah Zusammenhänge, die heute für uns klar sind:
- Wer versteht nicht, dass unsere Lebensweise schädlich für uns selbst und alle Ökosysteme ist und in sozialer Hinsicht vielfach immer noch ausbeuterisch?
- Wer versteht nicht, dass Klimaschutzmaßnahmen ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvoll, wenn nicht sogar überlebensnotwendig sind?
- Wer versteht nicht, dass Sprache unsere Realität formt? Dass so viele unserer Sprachbegriffe so abstrakt sind und dazu führt, dass wir in der Interaktion nicht vom Gleichen reden? Dass das Missverständnis die Regel in der Kommunikation ist?
- Wer versteht nicht, dass unser Bildungssystem ausgrenzt statt zu inkludieren?
- Wer würde darauf bestehen, dass unser Wirtschaftssystem (inkl. Geldsystem) zukunftsfähig ist, wenn man sich verantwortlich und solidarisch nachfolgenden Generationen gegenüber verhalten will?
Beuys ist nicht der Erste, der anregte, selbst zu denken, zu reflektieren und dann entsprechend gemeinwohlorientiert zu handeln. Er steht in guter Gesellschaft mit anderen historischen und zeitgenössischen klugen Personen. Was Beuys aber auszeichnet ist die Idee des Plastizierens, d.h. die Idee, dass Denken bereits Gestaltungscharakter hat. Aus diesem Grund kann man die Arbeit nicht vom Leben und der eigenen Identität trennen. Daher darf sich auch jede:r als Künstler:in verstehen, der selbstbesonnen und selbstbestimmt sein Leben gestaltet.
Wir sind glücklich, dass wir durch eigenes Lernen und durch den Kontakt zu einigen seiner Schüler:innen sein Werk kennen und schätzen gelernt haben – und weiterhin dazulernen werden.
Daniela hat hier eine kleine Animation erstellt, die das Kälte-Wärme-Prinzip bei Beuys darstellt, welches für viele seiner Arbeiten gilt. Für uns heute lohnt es sich insbesondere für unsere digitale Kommunikation, sich mit dem Prinzip einmal auseinanderzusetzen, dann klappts vielleicht auch mit der digitalen Selbstbestimmtheit: