Es mag sein, dass der Titel sich platt und konstruiert anhört. Sie haben völlig Recht, denn hier werden Dinge in einen Kontext gesetzt, der ihnen in der Tiefe natürlich nicht gerecht wird. Dennoch steckt hinter dem Titel keine Plattitüde.
Mir fiel dieses Titelkonstrukt ein, nachdem ein Firmeninhaber aus meinem Umfeld den Satz fallen ließ: „Unser Produkt muss sexy werden.“ Vermutlich haben Sie diesen Satz so oder so ähnlich auch schon gehört. Irgendetwas soll „sexy“ werden, weil man sich von diesem „sexy“ höhere Umsätze oder/und höhere Bekanntheit verspricht.
Auch Nachhaltigkeit und CSR sind zunächst „Produkte“, die verkauft werden müssen. Daher sollten sie so attraktiv wie möglich verpackt werden, um Begehren zu wecken, das noch nicht vorhanden ist. Laut Duden bezeichnet das Wort „sexy“ entweder „sexuell attraktiv“ oder „zu einer entsprechenden Wirkung verhelfend“. Letzteres hört sich in Bezug auf CSR und Nachhaltigkeit doch ganz gut an. Die unternehmerische CSR-Strategie, bzw. deren Output soll schließlich eine entsprechende Wirkung entfalten. Fragt sich nur, bei wem, ob und wie lange sich diese Wirkung entfaltet.
Steckt hinter der Strategie ausschließlich das Denken der Marketingabteilung und ist diese Denke, wie in der Werbung üblich, ein kurzfristiges und oberflächliches Denken, allein mit dem Ziel Aufmerksamkeit zu erregen, dann wird es bei „sexy“ bleiben. Aufmerksamkeit ist kein Dauerzustand, das wissen Sie selbst. Ebenso ist „sexy“ nur auf den Moment angelegt. Wenn etwas dauerhaft „sexy“ sein soll, wird es langweilig, man wendet sich ab.
Das ist der Grund, warum Greenwashing sich selbst entlarvt. Für den Moment ist es überraschend und beeindruckend, z.B. wenn ein Unternehmen für die Aufforstung des Regenwaldes Millionensummen investiert. Merkt der aufgeklärte Konsument jedoch, dass sich dieses Engagement nicht mit dem Kerngeschäft vereinbaren läßt, reagiert er abwehrend und fühlt sich nicht ernst genommen. Er wendet sich ab.
Wie anders verhält es sich im Gegensatz dazu mit dem Begriff „erotisch“. Erotisch ist laut Duden „die Liebe in ihrer ästhetisch-sinnlichen Anziehungskraft betreffend“. Wow! Das hört sich nach etwas Großem an. „Anziehungskraft betreffend“ – d.h. da ist etwas so stark, dass es mich bewegt indem es mich zu sich hin zieht. Und von Liebe ist auch noch die Rede.
Das biologische Basiskonzept „Liebe“ ist laut Neurobiologe Semir Zeki ein angeborenes Hirnkonzept. Angeborene Hirnkonzepte werden vom Unterbewusstsein gesteuert – wir können uns ihnen nicht willentlich entziehen. Also muss Liebe eine natürliche Anziehungskraft haben. Könnte man das auf Nachhaltigkeit übertragen? Kann es Liebe zur Nachhaltigkeit geben?
Ja, natürlich kann es die geben. Jeder, der seine Umwelt mit offenen Sinnen wahrnimmt, weiß das und erfährt es unmittelbar. Oder man begibt sich in die Distanz, wie kürzlich erst der deutsche Astronaut Alexander Gerst.
Wir, die wir unten bleiben, spüren, wie angenehm es sein kann, den Geruch von Getreide zu atmen, Blätter im Wald rascheln zu hören, Tiere zu beobachten, Sonne, Regen oder Wind bewusst auf der Haut zu spüren. Von diesen Gefühlen ausgehend, ist es enorm leicht, sich selbst als Teil der Erde zu begreifen, in ihr und mit ihr wirkend.
Von dort aus ist es ganz einfach, seinem Verstand Signale zu geben, die sich in verantwortungsvollen Handlungen ausdrücken. Von dort aus ist es nur logisch, Nachhaltigkeit konsequent zu leben und Geschichten von Nachhaltigkeit zu erzählen. Den Funken auf andere überspringen zu lassen und Begeisterung in ihnen zu wecken. Wie schön und wie erotisch.