Sie kennen das Märchen von der goldenen Gans? Ein armer Holzhackersohn bekam von einem dankbaren Zwerg, den er trotz karg ausgestattetem Vesperbeutel verköstigt hatte, eine goldene Gans geschenkt. Mit dieser verließ er seines Vaters Haus zog durch die Welt und jeder, der die Gans berührte, blieb an ihr kleben. Mit einer ganzen Prozession von Menschen hinter sich zog der junge Bursche in eine unbekannte Stadt und brachte eine Prinzessin zum Lachen, die nicht mehr lachen wollte. Sie freute sich über die dummen Menschen, die dem Glanz der Gans erlagen waren. Just in dem Moment, als die Prinzessin ihr Lachen wieder fand, löste sich der Kleber und die Menschen waren wieder frei. Jeder ging wieder seiner eigentlichen Arbeit nach und der Holzhackersohn durfte – nach ein paar weiteren zu lösenden Aufgaben – die Prinzessin heiraten.
Mit der goldenen Gans verhält es sich ein bisschen so wie mit dem Begriff CSR (Corporate Social Responsibility). Wie so oft war vermutlich ein kleiner Übersetzungsfehler schuld an der Misere. Das Wort „Social“ in CSR – Corporate Social Responsibility – wurde in der Vergangenheit mehrheitlich mit „sozial“ ins Deutsche übersetzt. Wer diesen kapitalen Fehler zuerst verursachte, ist unbekannt. Im späteren Verlauf wurde zwar klar, dass „social“ mit „gesellschaftlich“ zu übersetzen ist, dennoch beließ man es vorsichtshalber bei der Erstübersetzung.
Fakt ist aber, dass dieses kleine Wort seitdem bereitwillig von vielen Unternehmen als soziale Verantwortung verstanden wurde und sich jeder auf diese Gans stürzte, da sie ihm gute PR und Reputation zu versprechen schien und mit der man sich mit dem Glanz der Nachhaltigkeit schmücken konnte. Im Laufe dieser Entwicklung engagierte man sich in örtlichen Vereinen, unterstützte gemeinnützige Initiativen und zeigte sich als regional verankert und somit verantwortlich. Soweit so gut und als erster Schritt durchaus begrüßenswert.
Der Zwerg jedoch, als Initiator dieser ganzen Aktion, musste gewusst haben, dass die goldene Gans zunächst ein oberflächliches Begehren wecken würde. So musste es sein Plan gewesen sein, dass die ganze Mann- und Frauschaft kreuz und quer durch die Lande zog und sich auf dem Weg zum vermeintlichen Ziel aufgeschürfte Ellenbogen, schillernde Hämatome und schmerzhafte Blasen an den Füßen in Form von Greenwashing-Vorwürfen oder nicht eingetroffenen Erwartungen zuzog.
Am Ende der beschwerlichen Reise erlöste ein lautes Lachen der Stakeholder-Prinzessin die müde Truppe . Sie hatte verstanden, dass die eigentliche Tätigkeit der einzelnen Reisenden nichts mit der goldenen Gans zu tun hatte und dass das Ganze vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht war. Der Erstinhaber der Gans, der Holzhackersohn, merkte an diesem Punkt, dass die goldene Gans gehaltvoller sein musste, als er bisher annahm, wenn sich sogar eine Prinzessin für die Gans interessierte.
Er nahm ihr Angebot an und übersetzte „social“ nicht mit „sozial“, sondern mit „gesellschaftlich“ und erkannte, dass diese Übersetzung der Gans deutlich mehr Gewicht verlieh, worauf der das Tier umgehend auf dem Boden absetzte. Da er die Stakeholder-Prinzessin aber sehr gern mochte und ihr beweisen wollte, dass er nicht wie alle anderen war – die sich in der Zwischenzeit übrigens wieder an ihre Arbeit getrollt hatten – absolvierte er weitere Aufgaben, die ihm die Prinzessin aufgab. Unnötig zu sagen, dass der lernfähige Bursche die Aufgaben mit Bravour bestand und ihm die Prinzessin am Schluss ihre Gunst erwies – fast jedes Märchen hat ein Happy End.
So ist es auch mit dem Begriff CSR. Der ist nun endlich dort angekommen, wo er hingehört – in der DNA des Unternehmens – im Kerngeschäft. In innovativen Arbeitszeitmodellen, in der modernen Personalentwicklung, im nachhaltigen Wirtschaften und natürlich auch beim sozialen Engagement.
In Ihrem Unternehmen nicht? Dann ist ihre Geschichte noch nicht zu Ende. Haben Sie Geduld. CSR ist ein Prozess, den jemand intern in Gang setzen muss. Vielleicht sind Sie der oder die InitiatorIn?