Eigentlich ist es ja ganz einfach: Will man jemanden verstehen, muss man ihm zuhören. Will man selbst verstanden werden, müssen einem die anderen zuhören. Leider geht uns die Fähigkeit des Zuhörens mehr und mehr abhanden. Blöd nur, dass wir nicht auf sie verzichten können – in keinem einzigen Bereich unseres Lebens. Es besteht also Handlungsbedarf und der startet bei unserer Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit, verweile doch!
Unsere Aufmerksamkeit ist eine flüchtige Gesellin. Im Gespräch mit anderen gelingt es uns meist nur wenige Augenblicke, sie bei Laune zu halten und zu binden. Der Hauch einer Sekunde, ein Reiz außerhalb unseres Gegenübers, selbst ein Wortfetzen reichen völlig und wir hängen unseren eigenen Gedanken nach.
Der vierdimensionale Raum
Was also tun? Die Antwort ist leider unspektakulär: Wir müssen üben. Üben und wieder üben – Aufmerksamkeit üben. Dafür braucht man keine Langhantel zu stemmen oder Sit-ups zu machen, es geht ohne Werkzeuge. Das Werkzeug sind wir selbst, bzw. bei vielen Menschen sitzt dieses Ding im Kopf. Um Aufmerksamkeit zu üben, fängt man ganz elegant beim Zuhören an. Das kann jeder von uns, der einige Sinnesorgane sein eigen nennt. Zuhören funktioniert mit allen unseren Sinnen, nicht nur alleine mit den Ohren. Was das Zuhören gerne mag, ist ein Trainingsraum in unserem Kopf – und zwar ein vierdimensionaler Raum für unser Gegenüber. In diesem schaffen wir Platz und Zeit für das, was wir hören werden. Erst, wenn dieser Raum geschaffen ist, können wir im Team sinnvoll in Bezug auf eine Zielsetzung handeln.
„Ohne ich kein wir!“
„Ohne ich kein wir!“ lautet ein zentraler Ansatz von Shelley Sacks, Direktorin der Social Sculpture Research Unit an der Oxford Brookes University (=> erweiterter Kunstbegriff nach Joseph Beuys). Ihre vielfach international erprobte These ist, dass kein gemeinsames Ziel formuliert werden kann, solange sich das Individuum nicht seiner Rolle und seines Beitrags im Gesamtgefüge bewusst ist.
Die von ihr verwendete Begrifflichkeit des „aktiven Zuhörens“ bedingt eine umfängliche und ganzheitliche Aufmerksamkeit, die sich auf unser Gegenüber fokussiert: auf Sprache, Gestik und Mimik. Das aktive Zuhören wird begleitet von einem urteilsfreien Wahrnehmen, was uns zu Anfang des Trainings ebenso schwer fällt, wie aufmerksam zu bleiben.
Urteile loslassen und sinnlich wahrnehmen
Unsere urteilsfreie Wahrnehmungsfähigkeit wird schon sehr früh in unserem Leben überlagert von unseren eigenen Bildern, die auf Annahmen und Urteilen beruhen. Viele dieser Bilder sind zunächst nicht unsere eigenen, aber wir machen sie uns zu eigen – u.a. durch Erziehung und kulturell bedingte Erfahrungen. Schaffen wir es nicht, diese Annahmen und Urteile zu reflektieren und zu hinterfragen, bleiben sie als starres Wahrheitsbild in uns, welches unsere Weltanschauung prägt und uns selbst unbeweglicher macht. In dieser Unbeweglichkeit ist wenig Raum für Veränderung oder gar Innovation.
Wandel ist unendlich
Unser Leben in unserem Lebensumfeld ist jedoch weder starr noch unbeweglich – mit jeder Sekunde wandelt sich alles. Es gibt keinen Stillstand. Einzig im Moment der Ruhe und des Loslassens kann Zeit sich so dehnen, dass sie uns wie Stillstand vorkommt.
Unsere Bilder im Kopf haben wir aus lebendigen Situationen entstehen lassen und gespeichert. Ihr Wesen ist ebenso wie unser eigenes individuelles Wesen lebendig und beweglich. Das urteilsfreie Wahrnehmen hilft uns, geistig beweglich zu bleiben und uns zu entwickeln – eine unabdingbare Voraussetzung, um Anforderungen jeglicher Art meistern zu können.