Seite wählen

Vor ein paar Wochen hat mich ein Beitrag von Greenpeace Österreich tief berührt und mich einmal mehr auf die Themen zurückgeworfen, die ich – ganz im Sinne Frithjof Bergmanns – wirklich, wirklich will: New Work, Feminismus und Nachhaltigkeit. Der Facebook-Beitrag zeigt ein Foto, auf dem Jane Goodall und Greta Thunberg zu sehen sind. Der Beitrag ist betitelt mit „Treffen der Generationen“ und im Foto ist ein Zitat von Jane Goodall zu lesen:

„Was Du tust, macht einen Unterschied. Und Du hast zu entscheiden, welche Art von Unterschied Du machen willst.“

Zwei Frauengenerationen für eine bessere Welt – Jane Goodall und Greta Thunberg

Ich vermute, dass beide Frauen Euch allen ein Begriff sind: Jane Goodall, UN-Friedensbotschafterin, ist die wohl weltweit berühmteste Primatenforscherin und untersuchte mehr als 25 Jahre lang das Verhalten von Menschenaffen. Sie war die Erste, der dies in der natürlichen Umgebung der Tiere gelang (bei Schimpansen in Tansania). Ihren Berufsweg begann sie in einer Sekretärinnenschule. Sie hatte nie studiert, konnte aber mit Ausnahmegenehmigung der University of Cambridge promovieren. Seit 1986 engagiert sie sich weltweit als Tierschutz- und Umweltaktivistin.

New Work und Feminismus

Facebook-Post von Greenpeace Österreich

Ihre vielleicht disruptivste Erkenntnis war, dass Schimpansen Werkzeuge fertigen und sie benutzen. Damit stieß sie einen Lehrkanon, der den Homo Sapiens als einziges intelligentes Wesen ansah, das zur Herstellung von Werkzeug in der Lage war und damit allein für Fortschritt sorgen konnte, vom (patriarchalen?) Sockel.

Die Reden Greta Thunbergs zum Klimawandel bei der UN-Klimakonferenz in 2018 in Katowice und ihr Appell beim Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos gingen durch alle Medien. Seit August 2018 schwänzte Greta freitags die Schule und demonstrierte alleine vor dem schwedischen Reichstag für den Klimawandel („Skolstrejk för klimatet“).

Daraus entstand die Bewegung #FridaysForFuture, die wunderbarerweise immer mehr Schüler und Schülerinnen international motiviert, sich für den Klimawandel zu engagieren. Beide Frauen sind ihrem Traum, bzw. dem gefolgt, was sie wirklich wirklich wollen – auch gegen Widerstände, Unverständnis und begleitet von Hindernissen und Rückschlägen jeglicher Art. Auf dem Foto sieht es für mich ein wenig so aus, als ob sich zwei Komplizinnen austauschen und sich gegenseitig Hoffnung, Bestätigung und Kraft zum Durchhalten für ein großes Thema geben. Und natürlich habe ich mich darüber gefreut, zwei so wunderbar inspirierende Frauen vereint zu sehen.

New Work und ökologische Nachhaltigkeit

Warum mich der Beitrag auf mein eigenes „wirklich wirklich wollen“ zurückgeworfen hat, ist der, dass mich ökologische Nachhaltigkeit und Klimawandel schon lange umtreiben. Ich sehe hier, neben der Politik, die Wirtschaft stark in der Verantwortung und bin daran interessiert, ein sinnvolles und nachhaltiges Wirtschaften voranzutreiben. Aus diesem Grund habe ich vor knapp 10 Jahren die „klassische“ Wirtschaft verlassen, bin zunächst in eine NGO gewechselt, die u.a. Unternehmen bei der Umsetzung von umweltschonenden Maßnahmen unterstützte und habe mich daran anschließend mit den Kultur-Komplizen zum Thema Neue Arbeit selbständig gemacht.

Mir wurde im Austausch mit Unternehmen schnell bewusst, dass ökologisches Handeln am wirkungsvollsten ist, wenn alle Mitarbeitenden eingebunden werden und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Außerdem sensibilisierten die ökologischen Themen die Firmen und förderten ein Klima hin zu mehr Offenheit und Fürsorge. Spätestens an dieser Stelle solltet ihr merken können, dass ich eine klare Vorstellung davon habe, dass New Work und ökologische Nachhaltigkeit eine sehr gesunde Allianz eingehen könnten.

Feminismus im Konzept New Work

Ich bin nicht sicher, wie lange ich den Begriff New Work noch verwenden kann, ohne dass es als #Verbällebadisierung oder als Werbung verstanden wird, aber vermutlich habe ich bis zur Entscheidung der Hauptversammlung der XING SE im Juni diesen Jahres noch ein wenig Narrenfreiheit. Für mich steht hinter dem Begriff New Work die Idee von Frithjof Bergmann, der darin ein ganzheitliches Konzept einer anderen Wirtschaftsweise sieht, die bewusstes ökologisches Handeln einschließt.

Darüber hinaus freut es mich sehr, dass Bergmann in seinem Buch „Neue Arbeit, Neue Kultur“ dem Feminismus einen eigenen Abschnitt widmet und Frauen als essentiell für die Umsetzung von New Work nennt. Die kleine Frau in meinem Ohr ruft mir zwar gerade zu, dass es „den“ Feminismus nicht gibt und dass es im Feminismus um Frauen UND Männer geht, aber das wissen die Leser*innen dieses Blogartikels natürlich selbst. Eine Rezension zum Buch hat Andreas Zeuch erst vor ein paar Wochen veröffentlicht, allerdings geht er in seiner Rezension mit keiner Silbe auf das Thema Feminismus ein (Andreas, ich glaube, darüber müssen wir mal ein ernstes Wörtchen reden!).

Bergmann sieht „schon immer eine Verwandtschaft und Nähe zwischen Frauen und der Neuen Arbeit“. Lt. Bergmann ist der Erfolg des Anfangsprojektes in Flint sogar den dort beteiligten Frauen zu verdanken, denn ohne sie wäre „dieses Projekt vielleicht schon im Säuglingsstadium gestorben.“

„Überall verstanden die Frauen die Neue Arbeit, lange bevor die Männer sie begriffen hatten, und stets war es so, dass sie bereit waren, etwas für die Neue Arbeit zu unternehmen, wenn die Männer noch ihre Zweifel hatten und sich gegenseitig mit der Schärfe ihres kritischen Verstandes beeindrucken wollten.“ (Neue Arbeit, Neue Kultur; F. Bergmann)

Gut, ich gebe gerne zu, dass ich mich laut lachend auf den Boden geworfen habe, als ich diesen Satz las. Nicht weil ich ihn lächerlich finde, sondern weil darin aus meiner Erfahrung heraus so viel Realität steckt und das nicht nur im Bereich Neue Arbeit. Sei’s drum, andere Baustelle. Ähm, nein, stimmt leider nicht, es ist die gleiche Baustelle, nur mit umgekehrten Vorzeichen.

Die Baustelle der männlichen Präsenz

Kürzlich erinnerte ich einen Bekannten daran, dass es sinnvoll sei, bei seiner Veranstaltung auf eine halbwegs gleiche Anzahl von Männern UND Frauen auf dem Podium zu achten. Er stimmte mir zu und er hatte auch Frauen gefragt, ob sie an der Podiumsdiskussion teilnehmen wollten. Leider erfolglos. Dann sagte er jedoch folgenden Satz: „Mir ist es aber egal, ob da Frau oder Mann sitzt. Ich will Qualität haben.“

Der Satz birgt für mich ziemlich viel Sprengstoff. Zuerst einmal ist es sehr legitim, dass man Wert auf Qualität legt. Was damit einhergeht, ist die Annahme, dass diejenigen, die sich freiwillig auf ein Podium begeben, Qualität abliefern. Bisher sind die Vortragsbühnen und Podiumsdiskussionen bei Veranstaltungen der Republik mehrheitlich mit Männern besetzt. Der o.g. Annahme zufolge, sitzt oder steht dort also eine Menge Qualität. Ist das so, und falls ja, was heißt das? Gibt es weniger Frauen als Männer, die Qualität liefern können? Ich würde behaupten, dass das nicht der Fall ist.

Natürlich habe ich mich selbst schon in Veranstaltungen geärgert, dass auf Podien Männer saßen, die herzlich wenig inhaltlich beizutragen hatten und habe mich gefragt, warum sie dort saßen. Einen Teil der Antwort auf mein „warum“ gab mir ARD-Programmchef Volker Herres, der im letzten Dezember bei der Konferenz „Frauen in der digitalen Zukunft: Stereotype durchbrechen“ an der TU München in einer der Diskussionsrunden saß.

Er beklagte sich mit leicht vorwurfsvollem Unterton, dass er regelmäßig Frauen für Interviews anfrage, aber oft Absagen bekäme. Wenn sich die Frauen nicht zu 100% sicher seien, dass sie 100% zum Thema beitragen könnten, würden sie zurückziehen. Und selbst eine umfassende Fachkenntnis garantiere trotzdem nicht automatisch die Teilnahme. Bei Männern wäre das völlig anders. Die würden vielfach nicht mal nach dem Thema fragen, sondern nur nach Ort, Datum und Ausstrahlungszeit der Sendung. Aha. Fast deckungsgleiche Aussagen bekam ich ergänzend von Dr. Katharina Reuter vom Unternehmensgrün e.V., der eine Vielzahl von Veranstaltungen initiiert, als wir uns am Rande der Stuttgarter Unternehmergespräche über das Thema „mehr Frauen als Speaker“ unterhielten. Was folgt daraus? Es bedeutet eben nicht automatisch Qualität, wenn Menschen sich freiwillig in eine Öffentlichkeit begeben und reden.

Frauen im New Work Kontext

Im New Work Kontext nehme ich deutlich mehr Männer als Frauen wahr – im Netz und auf Veranstaltungen. Mehr Männer, die reden, die schreiben, die diskutieren. Mehr Männer, die die Deutungshoheit übernehmen über das, was richtig oder falsch sein soll. Muss das denn sein? Gerade New Work ist ein Feld, in dem so viel Entwicklungsspielraum steckt und in dem Frauen so viel sichtbarer werden können. Bergmann gibt eine mögliche Antwort, warum Frauen schneller als Männer an New Work anschließen können, die tatsächlich eng mit verschiedenen Aspekten des Feminismus verknüpft ist:

„Sie (Anm.: die Frauen) wissen, dass es andere Formen der Arbeit (Anm.: außer der Lohnarbeit) gibt… und dass andere Arten von Arbeit ungleich befriedigender sind …. ist für sie schon fast eine Plattitüde. Bei den meisten Männern ist das anders. Ihre Identität, ihr Selbstwertgefühl und ihre Vorstellung davon, was das Leben strukturiert und ihm Rhythmus verleiht, sind eng mit ihrem Job verknüpft.“ (Neue Arbeit, Neue Kultur; F. Bergmann)

Warum Bergmann die Nähe zum Feminismus sieht, liegt auch an der neuen Kultur, die aus der Neuen Arbeit erwachsen wird. Die wird sich in einem lebensbejahenden Menschenbild zeigen, d.h. diese neue Kultur zügelt, zähmt und sozialisiert nicht top-down, sondern erkennt die Zerbrechlichkeit des Individuums und dass es sinnvoll ist, Fähigkeiten zu entdecken und Bedingungen zu schaffen, damit sie sich entfalten können. Gerade für Frauen sei diese neue Kultur förderlich, denn

„… Frauen zu zögerlich seien, wenn es um die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche geht, sich allzu leicht und zu oft unterordneten und sogar Schwierigkeiten damit hätten, den eigenen Erfolg anzuerkennen und richtig zu feiern.“ (Neue Arbeit, Neue Kultur; F. Bergmann)

Kommt Euch bekannt vor? Ja, nicht wahr? Sicherlich hat jede von uns schon ihre eigenen Wünsche für ein mutmaßlich kollektives Ziel – und sei es „nur“ das Wohlergehen der Familie – hintenan gestellt oder eigene Erfolge nicht kommuniziert, weil man sich erstens „nicht hervortun will“, zweitens aber vorausschauend auch mit Neid in Form von Kritik rechnet, die man nicht so gerne hören will.

Ich bin sehr, sehr sicher, dass es in der operativen New Work Arbeit – und damit meine ich auch Arbeit außerhalb des Lohnarbeitssystems – eine Vielzahl an Frauen gibt, die ernsthaft an einer Veränderung der Arbeits-, Lebens- und Wirtschaftswelt arbeiten und das mit allem Engagement und aller Kraft. Ja, natürlich gibt es auch viele Männer, die sich engagieren.

Auf den Bereich Veranstaltungen fokussiert, wünsche mir, dass Veranstalter genau diesen engagierten Frauen eine Bühne bieten, auf der sie sich wohl fühlen können, wenn sie denn wollen. Auf der eine Kommunikation mit allen Beteiligten – einschließlich des Publikums – gewährleistet ist. Wo ein wirklicher Dialog stattfindet und nicht nur der Austausch von Positionen. Bühnen, auf denen keine Hähnchenkämpfe stattfinden und weniger selbstverliebte Selbstdarsteller herumlamentieren.

Die Gretas dieser Welt verdienen mehr Diversität, weil die Qualität nicht unbedingt im Thema liegt, sondern eher in den Beziehungen derer, die darüber reden und dann handeln.

Bis neulich
Daniela

 

Bildquelle:
pixabay, CC-0-Lizenz; Foto bearbeitet